Ob auf Ölbildern, im Gedicht, im Roman oder als wichtiger Bestandteil von Reisebeschreibungen: Die Postkutsche war über Jahrhunderte hinweg das Transportmittel. Und tatsächlich ist sie es in gewisser Weise auch bis heute: im Comic bei Lucky Luke, im Film mit Terence Hill und Bud Spencer, als Playmobil-Set, als Ausstellungsstück im Museum und, und, und. Der „Knochenbrecher“, wie die Postkutsche einst von vielen auch genannt wurde, schließlich war die Fahrt alles andere als komfortabel, hat dabei viel mehr als „nur“ Briefe und Güter von A nach B gebracht. Sie hat unsere Art zu kommunizieren nachhaltig geprägt und verändert und uns Menschen durch das Reisen einander näher gebracht und neue Welten eröffnet.
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Zwar war das Reisen zunächst nur einigen wenigen Privilegierten möglich, doch konnte zum Beispiel das Gefühl der Sehnsucht unter Liebenden anders lebendig werden. Schließlich dauerte es schon mal einige Wochen, bis man vom anderen neuen Lesestoff bekam. Die neuen Möglichkeiten, Zeit und Raum in einer bis dato nie gekannten Geschwindigkeit zu bezwingen, waren von größtmöglicher Bedeutung. Es war möglich zu Reisen, Grenzen zu überwinden, über den eigenen Tellerrand zu schauen und so den Horizont zu erweitern. Etwas, das bis dahin absoluten Seltenheitswert hatte und für die meisten Menschen undenkbar war, auch weil das Fremde oft Angst machte. Gleichzeitig haben der Mut und die Neugierde, die genau dafür nötig waren dafür gesorgt, dass inspirierte und inspirierende Reiseberichte, Musik, Lyrik und Prosa entstanden sind.

WECHSEL VON KUTSCHEN UND PFERDEN in der Poststation auf der Zeil (um 1830).

LANGSAM, UNBEQUEM 
UND BESCHWERLICH


Wohl kaum einer hat das Reisen mit der Postkutsche so überzeugend romantisiert wie er: Johann Wolfgang von Goethe. Eine künstlerische Krise, das Empfinden dichterischer Stagnation, waren Auslöser für seinen Aufbruch nach Italien im Jahr 1786. Durch seinen Werther und durch seinen Götz von Berlichingen war er in Europa bereits bekannt, und da er gerne unerkannt unterwegs sein wollte, reiste Goethe unter dem Namen Johann Philipp Möller inkognito als deutscher Maler; nicht eben standesgemäß in einer Postkutsche ohne Diener oder Sekretär… aber doch ideal, wenn man Zeit und Muße hatte aus dem Fenster zu schauen, die Landschaft zu genießen und sich unterwegs von Land und Leuten beeindrucken zu lassen.

Allerdings täuscht diese Postkutschen-Romantik darüber hinweg, wie schmerzhaft so eine Fahrt in einer ungefederten Kutsche auch gewesen sein muss. Eine „gute Leibeskonstitution“ und „christliche Geduld“ waren laut einem Reisenden im 18. Jahrhundert nötig, um die Tortur überhaupt zu überstehen. So kam beispielsweise Johann Gottfried Herder zu einem anderen Schluss. Er reiste auf Goethes Spuren nach Italien und sammelte – wohl auch weil er weniger begütert war und zuhause sieben Kinder versorgen musste, ganz andere Eindrücke. Mangelnder Komfort auf holprigen Strecken hin oder her: Das Reisen kam ab Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr in Mode, insbesondere die bürgerliche Bildungsreise. Auch einige Komponisten machten sich auf und ließen sich von ihren Reiseeindrücken beflügeln. Der wohl berühmteste unter ihnen war Wolfgang Amadeus Mozart, der – auf sein gesamtes Leben bezogen – mehrere Jahre in Postkutschen verbrachte.
Rudolf Baumbach, 1840 und damit fast 100 Jahre später geboren und doch ebenfalls ein Zeitzeuge des Postkutschen-Zeitalters, schuf mit seinem Lied Hoch auf dem gelben Wagen einen Ohrwurm, der bis heute funktioniert und der die Reise mit der Postkutsche in den schönsten Farben beschreibt. Zudem hat Baumbach der Postkutsche auch ein Gedicht gewidmet, das deutlich näher an der Realität sein dürfte. Joseph von Eichendorff hingegen inspirierten 1834 Postkutsche und Posthorn zu folgender, sehnsüchtiger Lyrik:
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Eine prächtige Sommernacht? Die können wir Ihnen im Salon Frankfurt leider nicht anbieten, dafür aber laden wir Sie ein zu einer rasanten Fahrt mit der Postkutsche durch Raum und Zeit. Musikalisch sitzen wir mit den Tenören Julian Prégardien, Lukas Siebert und der Pianistin Rebeka Stojkoska auf dem hohen gelben Wagen und lauschen ihren Melodien. Literarisch reisen wir gemeinsam mit Johann Wolfgang von Goethe und dem Erzähler Helge Heynold nach Italien und mit Mozart nach Prag. Außerdem lauschen wir – vom Fernweh geplagt – Eichendorffs lyrischen Zeilen zu Posthorn und Post-kutsche. Historisch beamen wir uns im Gespräch mit Kuratorin Nina Gorgus vom Historischen Museum Frankfurt ins 18. und 19. Jahrhundert, in dem die Post Geschichte geschrieben hat. Dabei spielte auch und gerade die Stadt Frankfurt schon damals eine besondere Rolle. – Welche genau? Das werde ich Nina Gorgus ebenso fragen, wie nach dem „Roten Haus“, der Poststation auf der Zeil, so wie nach der bis heute berühmten Familie Thurn und Taxis.

WER SCHREIBT, DER BLEIBT


So lautet ein altes Sprichwort, das die Frage aufwirft, was das alles mit uns heute, im 21. Jahrhundert, mitten im digitalen Zeitalter zu tun hat? Tatsächlich eine ganze Menge, denn es geht um eines unserer seit Menschengedenken wichtigsten Bedürfnisse: Kommunikation und Austausch. Ein Wunsch, der uns Menschen miteinander verbindet und ein wichtiger Bestandteil unserer kulturgeschichtlichen Entwicklung ist. Daran hat die Post bis heute einen wichtigen Anteil. Schaut man zurück zu den Ägyptern, Persern, Griechen und Römern, die bereits Vorformen der Post entwickelt hatten und später auf die Familie Thurn und Taxis, der wir unsere hiesige Post zu verdanken haben, dann wird schnell deutlich: Unsere Kommunikationsgeschichte ist auch „Postgeschichte“. Damals analog, heute vor allem digital und virtuell.
(Anna Engel)
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Wie die kleine Postkutsche ins große Museum kam

Eine „gute Leibeskonstitution“ und „christliche Geduld“ waren laut einem Reisenden im 18. Jahrhundert nötig, um die Tortur überhaupt zu überstehen. So kam beispielweise Johann Gottfried Herder zu einem anderen Schluss. Er reiste auf Goethes Spuren nach Italien und sammelte – wohl auch weil er weniger begütert war und zuhause sieben Kinder versorgen musste, ganz andere Eindrücke. Mangelnder Komfort auf holprigen Strecken hin oder her; das Reisen kam ab Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr in Mode, insbesondere die bürgerliche Bildungsreise. Wer außerdem wohin reiste, was eine Fahrt mit der Postkutsche zum Beispiel von Frankfurt nach Weimar kostete, wie sehr die Postkutsche unsere Art zu kommunizieren beeinflusst hat und uns bis heute prägt, auch darum geht es im Gespräch mit der Kuratorin Dr. Nina Gorgus vom Historischen Musem Frankfurt.

Frankfurter Bub und Star Tenor meets Posthorn Romantik

Reisende Komponisten gab es im 18. und 19. Jahrhundert einige, schließlich galt es an den unterschiedlichen Höfen auf sich und das eigene Werk aufmerksam zu machen. Wer es sich leisten konnte, fuhr mit der eigenen – weniger gut Betuchte - mit der Post-Kutsche. Der bis heute sicher bekannteste und berühmteste unter ihnen war Wolfgang Amadeus Mozart, der 3 tausend 7 hundert 20 Tage in Postkutschen verbracht haben soll. – Im Gespräch mit dem international erfolgreichen Frankfurter Tenor Julian Prégardien geht es um Schuberts Post, um Mendelssohn Bartholdys Reiselied und ganz allgemein um das romantische Motiv „Posthorn“, das so manchen inspiriert hat.

Liebesschwüre in Briefform

Das Glükke kommt selten per Posta“ – davon war Georg Philipp Telemann überzeugt. Dies galt jedoch nicht für die beiden Liebenden  Friedrich von Gentz, deutsch-österreichischer Schriftsteller, Staatsdenker und Politiker und außerdem Berater von Fürst Metternich und seine Liebste Fanny Elßler, die eine weltberühmte österreichische Ballerina war und zu den meistbewunderten Tänzerinnen der Romantik gehörte.

Liebe oder Gesangskarriere

Der Postillion wurde als romantische Wunschfigur, gern beschrieben und beschworen in Gedichten und Romanen, aber auch in Liedern und natürlich in der Oper. In Wahrheit machte der Postillon einen Knochenjob, der alles andere als angesehen, geschweige denn romantisch war. - Doch wer will das schon hören? - Viel schöner ist da doch die Entdeckung eines adrett in Uniform gekleideten Mannes, der nicht nur das Posthorn bläst, sondern auch noch wunderbar singen kann. - So wie in der Oper „Der Postillon von Lonjumeau“. 

Auf einer Zeitreise durch den Odenwald

Unbequem, teuer, gefährlich und langsam – so haben all jene das Reisen mit der Postkutsche beschrieben, die nicht zum Idealisieren neigten, sondern gesagt haben, wie es wirklich ist. – Klar, dass ich nach einer so langen und intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der Postkutsche auch selber wissen wollte, wie sich das tatsächlich angefühlt hat… - Und siehe da, auch das geht rund um Frankfurt!

On the Road Again – Goethe in Italien

Wohl kaum einer hat das Reisen mit der Postkutsche so überzeugend romantisiert wie er: Johann Wolfgang von Goethe. Eine künstlerische Krise, das Empfinden dichterischer Stagnation, waren Auslöser für seinen Aufbruch nach Italien im Jahr 1786. Durch seinen Werther und durch seinen Götz von Berlichingen war er in Europa bereits bekannt und da er gerne unerkannt unterwegs sein wollte, reiste Goethe unter dem Namen Johann Philipp Möller inkognito als deutscher Maler; nicht eben standesgemäß in einer Postkutsche ohne Diener oder Sekretär. - Das bedeutete, alles verlief langsam, unbequem und beschwerlich, aber eben auch  ideal, wenn man Zeit und Muße hatte aus dem Fenster zu schauen, die Landschaft zu genießen und sich unterwegs von Land und Leuten beeindrucken zu lassen. 

Die Postkutsche hat viele(s) in Bewegung gebracht

Die neuen Möglichkeiten, mit der Postkutsche Zeit und Raum in einer bis dahin nie gekannten Geschwindigkeit zu bezwingen, waren von größtmöglicher Bedeutung – ein Hoch also auf den gelben Wagen!
Es war möglich zu Reisen, Grenzen zu überwinden, über den eigenen Tellerrand zu schauen und so den Horizont zu erweitern. Etwas, das bis dahin absoluten Seltenheitswert hatte und für die meisten Menschen undenkbar war, auch weil das Fremde oft Angst machte. Gleichzeitig haben der Mut und die Neugierde, die genau dafür nötig waren dafür gesorgt, dass inspirierte und inspirierende Reiseberichte, Musik, Lyrik und Prosa entstanden sind.
Und nicht zuletzt dieser wunderbare Salon Frankfurt im Mozartsal der Alten Oper – ein Hoch also auf den gelben Wagen!
Bildnachweise:
Postkutsche, „Die Postkutsche im Roten Haus auf der Zeil“ © HMF, Horst Ziegenfusz; Gemälde Postkutsche, Fahrplan Postkutsche © HMF
Videos „Postkutsche Trailer“, „Fahrt in der Postkutsche“ © Anna Engel, Joel Hess
Fotos Veranstaltung © Alte Oper Frankfurt, Salar Baygan
Mitschnitte Veranstaltung © Siegersbuschfilm