Sie ist schwarz, elegant und schön. Und sie steht für ein Versprechen. Für Fortschritt, für Geschichte und Geschichten: Die „Adler 7“, die erste Schreibmaschine aus Deutschland. Eine Legende. Wer sich das 300 Goldmark teure – umgerechnet etwa 1.551 Euro – und knapp elf Kilogramm schwere Wunderwerk der Technik zu Beginn des 20. Jahrhunderts leisten konnte, hatte es geschafft, gehörte dazu. Zu teuer und zu schwer? Keineswegs. Im Gegenteil: Den „Adler Fahrradwerken, vorm. Heinrich Kleyer AG“ gelang mit der Schreibmaschine der kommerzielle Durchbruch – Ende 1905 waren bereits 20.000 „Adler 7“ verkauft worden, und die Schreibmaschine avancierte national und international zum neuen Must-have.
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Neben ihrem schlichten und filigranen Design, den goldenen Lettern auf dunkel-glänzendem Grund, überzeugte die Adler-Schreibmaschine durch ihre Robustheit und Zuverlässigkeit, die sofort sichtbare Schrift und die absolut gerade Ausrichtung
von Buchstaben und Zeilen.
Entwickelt und gebaut wurde die erste deutsche Schreibmaschine in Frankfurt. Und zwar in den Adlerwerken, die 1880 von Heinrich Kleyer als Maschinen und Velociped-Handlung gegründet wurden. Auf einem Areal von 18.000 Quadratmetern entstand damals eine Fabrik mit rund 600 Arbeitsplätzen im Frankfurter Gallusviertel. Los ging es mit der Herstellung von Fahrrädern. 1896 kaufte der Darmstädter Fabrikantensohn Heinrich Kleyer die Patente für die Empire Schreibmaschine von der Firma Wellington P. Kidder, verbesserte diese Konstruktion und produzierte von 1898 bis 1900 eine „deutsche Empire“. 1901 wurde die Schreibmaschinen-Bezeichnung dann in „Adler 7“ umbenannt und als solche begann ihre jahrzehntelange Erfolgsgeschichte.
Neben den Fahrrädern und Schreibmaschinen trugen auch Automobile und Motorräder, die ab 1900 gebaut wurden, zum großen Erfolg der Adlerwerke bei. Bereits 1914 liefen 20 Prozent aller zugelassenen Autos im Deutschen Reich unter dem Namen Adler. Entstanden sind ganz unterschiedliche Fahrzeug-Typen, die mal kurvig elegant, mal robust und geländegängig daherkamen. Sind es heute die Adler-Motor-Veteranen-Clubs, die ihre Liebe zu den Oldtimern lebendig halten, waren es damals Menschen wie der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum. In seinem Buch Eine empfindsame Reise im Automobil schildert er eine Fahrt, die er 1902 gemeinsam mit seiner Frau mit einem Cabrio der Adlerwerke von Deutschland über Prag und Wien nach Italien unternahm. 
Genauso begeistert war Clärenore Stinnes in den 1920ern. Die Industriellentochter
 und Rallye-Fahrerin hatte sich damals in den Kopf gesetzt, die Erde mit einem Auto zu umrunden. Ein Abenteuer, das vor ihr keine andere Frau jemals riskiert hatte. Zum Beweis, dass sie unabhängig von ihrem Elternhaus ist und um die Qualität deutscher Industriearbeit zu zeigen, suchte sie sich Sponsoren und fand sie unter anderem bei den Adlerwerken in Frankfurt. Dort stellte man ihr einen neuen Adler Standard 6 zur Verfügung. Mit diesem Auto ließ sie 1927 ihren Traum wahr werden.  
Dunkles Kapitel in der Firmengeschichte
Zur Geschichte der Adlerwerke gehört aber auch ein lange tabuisiertes Kapitel. Bei allen schönen und aufregenden Erzählungen, die sich um die Adler-Schreibmaschinen, Fahrräder, Autos und Motorräder ranken, die über sie geschrieben und mit ihnen erlebt wurden, gibt es auch eine andere, eine düstere Seite des Unternehmens. Die Adlerwerke waren über viele Jahre ein großer und wichtiger Rüstungsbetrieb im Dritten Reich. Nach einem Luftangriff auf Frankfurt im März 1944 wurden die Adlerwerke schwer getroffen.
Einige Bereiche mussten daraufhin ausgelagert werden. Die Fertigung von Motoren und Fahrgestellen für Halbkettenfahrzeuge, die die Wehrmacht brauchte, wurde im Frankfurter Gallus fortgesetzt. Dafür brauchte es allerdings dringend Menschen, die dort arbeiten. In den Adlerwerken in Frankfurt setzte man deshalb auf Zwangsarbeiter. Später beantragte die Unternehmensleitung darüber hinaus die Zuweisung von KZ-Häftlingen. Mehr als 2.100 ausländische Zwangsarbeitende gab es bereits Ende 1943 in den Adlerwerken, ein Jahr später wurde das Gebäude in der Kleyerstraße 17 unter dem Decknamen „Katzbach“ zum KZ-Außenlager, in dem Hunderte Menschen umgebracht wurden. Es ist das dunkelste Kapitel in der Firmengeschichte. 
Unser Salon Frankfurt „Ein Adler schreibt Geschichte“ setzte sich auch mit dieser Zeit auseinander – unter anderem im Gespräch mit Frank Berger, Kurator am Historischen Museum Frankfurt. Wir haben aber auch darüber gesprochen, welche Rolle Schreibmaschinen für das Selbstverständnis der Frauen vor dem 2. Weltkrieg gespielt und welche Bedeutung Fahrräder für die Entwicklungen der Mobilität in der Gesellschaft hatten. Es ist die Zeit des technischen Fortschritts, die bis heute immer  schneller voranschreitet: Von der Feder zum Füller, von der wuchtigen Schreibmaschine zum ultraleichten Laptop. Vom Karren zur Kutsche, vom schweren Automobil zum selbstfahrenden Elektroauto. Und wie hat sich die veränderte Art sich zu bewegen und zu kommunizieren auf Literat*innen und Komponist*innen ausgewirkt, wie hat es sie bewegt und inspiriert? Wir laden Sie dazu ein, bei einer rasanten Reise dabei zu sein, auf der Clärenore Stinnes ihren Traum von einer Weltumrundung in einem Adler wahrmacht, Otto Julius Bierbaum als erster Deutscher in einem Adler Cabriolet den Gotthardpass überquert und Teobald Tiger, alias Kurt Tucholsky, eine Ode an die Schreibmaschine verfasst. Und musikalisch? An einem solchen Abend durfte Leroy Andersens The Typewriter natürlich nicht fehlen. Francis Poulenc schwang sich für uns aufs Fahrrad, Frédéric Chopin antwortete auf das Rattern der Maschinen und Johann Strauss entführte uns auf einen Technikerball, in dem er lautmalerisch den technischen Aufschwung und Fortschritt seiner Zeit vertont hatte. Um das Überführen von Geschwindigkeit und die möglichen Gefahren der Technik im 20. Jahrhundert ging es dann bei Prokofjew, Brahms, Adams und Eggert, mit dem wir am Ende wieder bei der schönen Schreibmaschine landeten.

Tack, tack, tack, Klingeling – Ratsch

So klingt es, wenn Leroy Andersens (1908–1975) berühmter Type Writer lebendig und eine Schreibmaschine zum Schlaginstrument wird. Das Stück ist gerade einmal anderthalb Minuten kurz, wurde 1953 veröffentlicht und 1963 in dem Jerry Lewis-Film Who's Minding the Store gezeigt. Der 3. Salon Frankfurt, „Ein Adler schreibt Geschichte“ wurde mit diesem Stück eröffnet und von einigen Studierenden der HfMDK, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt, in Szene gesetzt.

Eine Ode an die Schreibmaschine

Der Frankfurter Erzähler Helge Heynold alias Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky (1890–1935) über „Hände an der Schreibmaschine“ aus dem Jahr 1928. 
Kurt Tucholsky war ein deutscher Journalist und Schriftsteller, der zahlreiche Pseudonyme nutzte, darunter u.a. auch den Namen Theobald Tiger.
Tucholsky zählte zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik. - Er äußerte sich als Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor und Lyriker immer wieder kritisch und politisch und warnte vor der Ausbreitung des Nationalsozialismus.

Gespräch mit Frank Berger

Ein Adler schreibt Geschichte

Gemeinsam mit dem Historiker Frank Berger, Kurator am Historischen Museum Frankfurt, unternehmen wir eine Zeitreise in die Geschichte der Frankfurter Adlerwerke. Ausgehend von der Adler 7, einem Meisterwerk der Technik, haben wir uns an diesem Abend in der Alten Oper Frankfurt auf große Fahrt begeben, denn die Adlerwerke haben längst nicht nur unsere Art zu schreiben verändert und damit unsere Kommunikation geprägt, sondern auch die Art und Weise wie wir uns fortbewegen. 
Für Frankfurt stehen die Adlerwerke bis heute für ein wichtiges und prägendes Kapitel Stadt- und Industriegeschichte, schließlich handelt es sich hier um eines der bekanntesten und symbolträchtigsten Unternehmen in Frankfurt, mit dem auch eine schreckliche Geschichte im Nationalsozialismus verbunden ist, die bis heute aufgearbeitet wird und im Salon Frankfurt auch ein wichtiges Thema war.

Alles ist Musik

Dass die Adler 7 Schreibmaschine bis heute nicht nur Sammler-Herzen höherschlagen lässt, sondern auch Literat*innen und Komponist*innen beflügelt hat, das wurde an diesem Abend immer wieder in schönster Weise deutlich. – Einer von ihnen ist Moritz Eggert, Pianist, Komponist und Professor für Komposition in München. Sein Klavierstudium hat er an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt absolviert und seither mehrere Konzert- und Bühnenwerke geschaffen, die prominent aufgeführt worden sind. Darunter Opern, ein Fußballoratorium zur Weltmeisterschaft 2006, ein Fußballett und vieles, vieles mehr. Klar, dass einem solchen Abend eine Symphonie für Schreibmaschinen nicht fehlen darf und wie praktisch, dass Moritz Eggert eine eben solche komponiert hat… 

„Symphonie 1.0 für 12 Tutti Schreibmaschinen“

Lebendige Sammler-Liebe

Waren es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Menschen wie Clärenore Stinnes oder der Schriftsteller Otto Julius Bierbaum, die ihre Liebe zu Adler-Automobilen im Film bzw. im ersten Autoreisebuch der deutschen Literatur zum Ausdruck brachten, so sammeln sich Adler-Motor-Fans heute in eigenen Veteranen Clubs, in denen sie ihre Liebe lebendig halten. – Der größte Adler-Sammler in Hessen? – Jede Wette; Christian Rioth aus Heppenheim: 

Ein lange verdrängtes Kapitel in der Unternehmensgeschichte der Adlerwerke

Bei allen schönen, aufregenden und historischen Geschichten, die sich um die Adler-Fahrräder, Schreibmaschinen, Motorräder und Autos ranken, die über sie geschrieben und mit ihnen erlebt wurden: Es gibt auch eine andere, eine furchtbare Seite des Unternehmens, das über Jahrzehnte hinweg so erfolgreich war und Frankfurt zu einem wichtigen Industrie-Standort gemacht hat. Diese Wahrheit wurde erschreckend lange unter Verschluss gehalten und wird auch deshalb bis heute der aufgearbeitet. Denn zu der Erfolgsgeschichte der Adlerwerke, gehört auch die Tatsache, dass es sich hier um einen großen Rüstungsbetrieb im Dritten Reich gehandelt hat. Man arisierte benachbarte Firmengrundstücke, beschäftigte tausende KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter und avancierte (auch) so vom größten Autobauer Deutschlands zum größten Hersteller von Schützenpanzerfahrgestellen in Europa. - Und nicht nur das: Was selbst viele Frankfurter*innen nicht wissen; 1944 wurde das Gebäude in der Kleyerstraße 17 unter dem Decknamen „Katzbach“ zum KZ-Außenlager, in dem hunderte Menschen starben – und das mitten in der Stadt. Dass dieses grausame Kapitel in der Geschichte der Adlerwerke seit ihrer Schließung kontinuierlich untersucht und aufgearbeitet wird, ist einzelnen Menschen und Vereinen in Frankfurt zu verdanken, die sich bis heute unermüdlich dafür einsetzen, dass die NS-Vergangenheit der Adlerwerke und die vielen Opfer im KZ-Katzbach nicht in Vergessenheit geraten. - Einer von ihnen ist Winfried Becker, Leiter des Gallus-Theater, das in den Adlerwerken Zuhause ist. 

Ein kleines Meisterwerk der Technik erobert die große Welt der Künste

Das der technische Fortschritt mit Blick auf Schreibmaschinen, Fahrräder, Motorräder und Autos zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Literat*innen, Filmemacher*innen und Komponist*innen inspiriert hat, auch das wurde an diesem Abend im Salon Frankfurt auf besondere Weise deutlich. Studierende der HfMDK, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt haben passende Kompositionen von Francis Poulenc, John Adams u.v.a. gespielt. Otto Julius Bierbaum, nahm uns literarisch mit auf seine berühmte Fahrt in einem Adler-Cabrio, Clärenore Stinnes mit auf ihre Reise um die Welt.
Bildnachweise:
Schreibmaschine Adler 7 © HMF, Horst Ziegenfusz
Video „Schreibmaschine Trailer“ © Anna Engel, Joel Hess
Video: „Christian Rioth, Sammler“ © Kathleen Witt, Redaktion: Anna Engel
Video: „Winfried Becker, Gallustheater“ © Kathleen Witt, Redaktion: Anna Engel
Fotos Veranstaltung © Alte Oper Frankfurt, Salar Baygan
Mitschnitte Veranstaltung © Siegersbuschfilm