Hallo und herzlich willkommen, hier im digitalen Salon Frankfurt!

Mein Name ist Anna Engel und ich lade Sie dazu ein, gemeinsam mit mir und mit wechselnden ganz unterschiedlichen Künstler*innen eine Zeitreise zu unternehmen. Hier im Internet, und etwa alle zwei Monate live im Mozartsaal der Alten Oper Frankfurt.

Ausgehend von einem besonderen Objekt im Historischen Museum Frankfurt, reisen wir zurück in die Kultur- und Stadtgeschichte und stellen fest: Sie alle erzählen bislang ungehörte Geschichten, sie zeigen uns die Stadt Frankfurt von ihrer unbekannten Seite und berühren etwas in uns.

Beispiele sind eine Handtasche in Gestalt eines Zeppelins, ein Papiertheater, das der Alten Oper nachempfunden ist oder eine Adler Schreibmaschine, die wie kaum ein anderes technisches Gerät ihrer Zeit, Eleganz und Fortschritt symbolisiert.

Diese Reisen unternehmen wir gemeinsam mit Kurator*innen des Historischen Museums Frankfurt. Mit ihnen im Gespräch, greifen wir diese Mosaiksteine aus der Geschichte Frankfurts heraus und stellen Fragen, hören passende Musik aus der Zeit, lauschen Lyriker*innen, die uns dazu neue Facetten aufzeigen und schlagen mit Bildern und kurzen Filmen eine Brücke ins Hier und Heute.

Ich freue mich sehr, Sie als Gastgeberin im Salon Frankfurt zu begrüßen und Sie auf unserer spannenden Reise zu begleiten! 

Herzlichst, Ihre Anna Engel

Ein Zeppelin als Handtasche

Es gibt Objekte der Begierde, die – unabhängig von ihrer Größe – stellvertretend für einen Traum stehen und beim näheren Betrachten eine eigene Welt eröffnen. Die Zeppelintasche ist so ein Objekt: klein und dunkelbraun. Auf den ersten Blick fast ein wenig unscheinbar, verkörpert sie auf den zweiten und genauen Blick so viel mehr als „nur“ ein modisches Accessoire. Mit der Zeppelintasche am Arm verbindet sich das Versprechen in einer Welt zu leben, in der alles möglich ist, sogar fliegen. Die Tasche ist den sanften Riesen nachempfunden, die als Zeppelin die Luftschifffahrt revolutioniert haben.
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ZUM MYTHOS

Es gibt Objekte der Begierde, die – unabhängig von ihrer Größe – stellvertretend für einen Traum stehen und beim näheren Betrachten eine eigene Welt eröffnen. Die Zeppelintasche ist so ein Objekt: klein und dunkelbraun. Auf den ersten Blick fast ein wenig unscheinbar, verkörpert sie auf den zweiten und genauen Blick so viel mehr als „nur“ ein modisches Accessoire. Mit der Zeppelintasche am Arm verbindet sich das Versprechen in einer Welt zu leben, in der alles möglich ist, sogar fliegen. Die Tasche ist den sanften Riesen nachempfunden, die als Zeppelin die Luftschifffahrt revolutioniert haben. Mit seiner Erfindung des ersten lenkbaren Starrluftschiffs hatte Ferdinand Graf von Zeppelin im Jahr 1900 eine neue Ära der Luftfahrt eingeleitet. Bis in die 1930er-Jahre waren es nur diese Fluggeräte, die eine regelmäßige transatlantische Passagier- und Frachtbeförderung möglich machten, mit Flugzeugen konnte das in diesem Umfang erst nach dem Zweiten Weltkrieg realisiert werden.

Luftriese LZ 129, Die Hindenburg im Hangar

Der Anblick der gigantischen Luftschiffe am Himmel löste einen regelrechten Hype aus. Auch und gerade in Frankfurt, wo 1909 die Internationale Luftschifffahrt-Ausstellung, kurz ILA, stattfand, die Stadt mehrere Tage lang in einen Ausnahmezustand versetzte und einen wahren Besuchersturm auslöste.
Alle: Männer, Frauen und Kinder, gut betucht oder am Hungertuch nagend, wollten teilhaben an dem wahrgewordenen Traum: fliegen. Oder mit dem Zeppelin durch die Lüfte zu fahren! Die riesigen Luftschiffe sprengten jegliche Vorstellungskraft und waren auch auf dem Boden mehr als imposant. 
Als sich die Hindenburg 1936 in den Himmel erhob, war sie die größte Flugmaschine
aller Zeiten und mit 245 Metern Länge nur wenig kürzer als die Titanic. Ferdinand Graf von Zeppelin und sein Nachfolger Hugo Eckener arbeiteten Zeit ihres Lebens erfolgreich daran, das Luftschiff zum begehrten Kultobjekt zu machen. Ihr Zeppelin wurde auf allen möglichen Alltagsgegenständen abgebildet und verewigt und so für viele erschwinglich: Vasen, Medaillen, Anstecknadeln, Kinderspielzeug, Porzellan, Servietten und vieles mehr.

Das Luftschiff „Graf Zeppelin“ bei seiner Rückkehr nach Deutschland, Foto aus den 1920er-Jahren

Kitsch für die einen, für andere ein begehrtes Sammlerobjekt. Wie eben jene Zeppelinhandtasche, der wir unseren Konzertabend widmen. Fest steht: Das, was man heute „merchandising“ nennt, lief damals bereits wie ein gut geölter Motor. Schließlich wollten alle etwas abhaben von dem Traum, durch die Lüfte zu reisen.
Dieser Traum ist zutiefst in uns verankert und beflügelt seit Jahrhunderten Kunst und Kultur, Technik und Wirtschaft zu immer neuen Höhenflügen. Der Flugversuch im Mythos von Dädalus und Ikarus endete tödlich, doch der Wunsch, die Schwerkraft zu überwinden, der setzte sich über die Jahrhunderte weiter fort. 
Bilder vom Fliegen existieren, seit wir Menschen träumen können. Im 15. Jahrhundert war es Leonardo da Vinci, später Francisco de Goya, Rembrandt und Albrecht Dürer, die sich in ihren Bildern mit der eigenen Faszination für das Fliegen auseinandergesetzt haben. Aber auch Schriftsteller*innen und Komponist*innen haben vom Fliegen geträumt und ihre Gedanken dazu in Worte und Musik übersetzt. Sei es in der bildenden Kunst, der Musik oder Literatur; nur was wir uns vorstellen können, lässt sich auch realisieren.

Jule Vernes fünf Wochen im Ballon, Titelillustration des Romans von 1863

Ob die Brüder Montgolfier, Jules Verne, Otto Lilienthal, die Gebrüder Wright, Ferdinand Graf von Zeppelin, Charles Lindbergh oder Neil Armstrong: Sie alle machten auf ihre Weise den Traum vom Fliegen wahr. Ob im Ballon, im Luftschiff, im Gleitflugzeug oder in einer Rakete. Heute, im Jahr 2021, sind es Milliardäre wie Richard Branson, Jeff Bezos oder Elon Musk, für die es garnicht hoch und weit hinaus gehen kann. – The Sky is (not) the Limit (anymore). Ob visionär oder größenwahnsinnig: Sie alle verbindet der unerschütterliche Glaube an die große Freiheit und den Fortschritt, für den das Fliegen bis heute steht. Denn wer über das Fliegen nachdenkt, beschäftigt sich immer auch mit
Fragen nach Mobilität und Fortschritt, mit einem Blick in die Zukunft. Und dieser hat eben auch Luftschiffbauer und Handtaschendesigner inspiriert.
Ausgehend von einer kleinen Handtasche, die dem Zeppelin nachempfunden ist und die wir im Historischen Museum Frankfurt bestaunen können, möchten wir Sie in unserem Salon Frankfurt mit auf eine Reise nehmen. Im Gespräch mit dem Historiker und Leiter des Historischen Museums Frankfurt, Dr. Jan Gerchow, reisen wir in das Frankfurt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sehen die Begeisterung der Frankfurter*innen auf der ILA, hören Zeitzeugen von damals und sprechen auch über die Instrumentalisierung der Zeppeline zu Propagandazwecken während des Nationalsozialismus. 
Der Sprecher Helge Heynold lässt neben anderen Hugo Eckener wieder lebendig werden, und der Pianist Cedric Pescia entführt uns in die weite Welt der vom Fliegen inspirierten Werke aus der Musik.
Auch wenn die goldene Ära der Luftschifffahrt am 6. Mai 1937 mit dem Absturz der Hindenburg innerhalb von nur wenigen Sekunden ein jähes Ende nahm: Der Traum vom Fliegen dauert an und ist bis heute unsterblich. Und wer weiß, vielleicht erleben die Zeppeline ja noch in diesem Jahrhundert eine Renaissance, wenn es darum geht, anders, umweltfreundlich und entspannt zu reisen und die Welt zu sehen.

„Der Luftschiffer“ lyrisch

So klingt es, wenn Karoline von Günderrode den Luftschiffer lyrisch ehrt und der Frankfurter Erzähler Helge Heynold sie lebendig werden lässt. Karoline von Günderrode wurde 1780 geboren, lebte einige Jahre in Hanau und in Frankfurt und wurde mit ihren romantischen Gedichten erst posthum entdeckt. Sie starb 1806 im Rheingau, wo sie sich an einem Flussufer in Winkel das Leben nahm.

Kleine Handtasche trifft auf große Geschichte

Gemeinsam mit dem Historiker Dr. Jan Gerchow, Leiter des Historischen Museums Frankfurt, unternehmen wir eine Zeitreise in das Frankfurt zu Beginn des 20. Jahrhunderts und erfahren von ihm zum Beispiel, welche Geschichte sich hinter der Zeppelinhandtasche verbirgt, wie sie ins Museum kam und welche Rolle Frankfurt mit Blick auf die Luftschifffahrt gespielt hat. 

Musik-Genie meets Technikfreak

Flugzeuge – der Rausch der Geschwindigkeit – der hat auch schon immer Musiker und Komponisten beeinflusst, wie zum Beispiel George Antheil, der Futurist oder auch „Bad Boy of Music“, wie er sich in seiner Autobiographie selbst nannte. 1900 wurde George Antheil (1900 – 1959) in Trenton New Jersey geboren, 1922 zog er mit einem Stipendium nach Berlin, um dort als Pianist mit eigenen, zeitgenössischen Werken die Konzertsäle zu erobern. Über diese Zeit sagte er selbst einmal rückblickend: „Die hauptsächliche und wichtigste Wirkung dieses Nachkriegsberlin auf mich bestand darin, mich all der verbliebenen alten Poesie, falschen Sentimentalität und zuckersüßen Überidylle zu entledigen“. Seine Begeisterung für das Fliegen wird in seiner Airplane Sonata hier gespielt von Cédric Pescia nicht nur hörbar, sondern geradezu körperlich spürbar. 

Lebendiges Erinnern

Zeitzeugen rund um die goldene Ära der Zeppeline zu finden, ist heute natürlich unmöglich, dafür ist dies Zeit einfach zu lange her. – Georg Kolb ist einer der wenigen Menschen, die sich noch persönlich an diese Zeit und die große Begeisterung der Menschen für die Luftschifffahrt erinnern. Er ist in Zeppelinheim geboren und aufgewachsen, lebt dort bis heute und hat als kleiner Junge seinen Vater regelmäßig bei der Arbeit in den nahegelegenen Luftschiffhallen besucht. – Sein Vater arbeitete als Schreiner für die Luftschiffbau Zeppelin AG in Zeppelinheim, wo damals eine eigenständige Siedlung für die Angestellten entstand. Von dem dort extra gebauten Luftschiffhafen aus starteten das LZ 129 Hindenburg und LZ 127 Graf Zeppelin zu ihren immer völlig ausgebuchten Transatlantikreisen. Genau dort, wo heute auf dem Flughafen die Cargo City Süd ist und das neue Terminal 3 gebaut wird. – Ich habe Georg Kolb bei sich zuhause in Zeppelinheim besucht und ihn gefragt, woran er sich erinnert, wenn er an die Hoch-Zeit der Zeppeline zurückdenkt.

Wo geht’s hier bitte zur ILA?

1909 fand in Frankfurt 100 Tage lang eine Messe statt, von der die Stadt lange – auch international – gezehrt hat, die Internationale Luftschifffahrt Ausstellung, kurz ILA – die zeitgleich mit Paris immerhin die erste, größte und bedeutendste dieser Art weltweit war. Möglich gemacht wurde sie durch die große Begeisterung und Spendenbereitschaft der Frankfurter Bürgerschaft. innerhalb kürzester Zeit die Summe von 1,25 Mio. Mark plus 200.000 Mark an Preisstiftungen bereitgestellt. Zu den Initiatoren der ILA Frankfurt 1909 gehören neben den Angehörigen des Frankfurter Vereins für Luftschiffahrt und der Frankfurter Bürgerschaft vor allem der damalige Oberbürgermeister Franz Adickes. – Dr. Jan Gerchow, Historiker und Leiter des Historischen Museums Frankfurt, erzählt im Gespräch, welche Bedeutung und welche Strahlkraft die ILA damals für Frankfurt und weit darüber hinaus hatte.
Bildnachweise:
Handtasche in Form eines Zeppelin, um 1910 © HMF, Horst Ziegenfusz; Video „Ein Zeppelin als Handtasche“ © Anna Engel, Joel Hess; Luftriese LZ 129, Hindenburg, Zeppelin, Hangar © akg-images/arkivi; Das Luftschiff 'Graf Zeppelin' © akg-images/TT News Agency/SVT; Titelillustration: Verne, Jules, Fünf Wochen im Ballon (1863);
Mitschnitte Veranstaltung © Siegersbuschfilm; Fotos Veranstaltung © Alte Oper Frankfurt/Wonge Bergmann